- Vitamine und Elektrolyte
- Vitamine und ElektrolyteWie die essentiellen Aminosäuren und mehrfach ungesättigten Fettsäuren auch, sind Vitamine und Elektrolyte lebenswichtige Bestandteile der Nahrung. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Stoffgruppen gehen sie aber nicht in den Baustoffwechsel ein und spielen für die Energiegewinnung keine Rolle. Bei allen drei Substanzgruppen handelt es sich, im Gegensatz zu lebensnotwendigen Spurenelementen, um organische Substanzen.Die VitamineMenschen haben die Fähigkeit, Vitamine selbst herzustellen, verloren. Sie sind daher auf die Hilfe von Darmbakterien angewiesen, die bestimmte Vitamine synthetisieren können, oder müssen Vitamine mit der Nahrung aufnehmen. Ein großer Teil der Vitamine ist Bestandteil von Coenzymen, die im Betriebsstoffwechsel benötigt werden. Manche der Coenzyme haben sehr komplexe, vielfältige Wirkungen, sodass auch die Funktionen der Vitamine in verschiedenste Lebensprozesse eingreifen.Die Benennung der Vitamine mit Buchstaben hat historische Gründe. Die nach der Aufgabe dieses Klassifizierungssystems gefundenen Vitamine werden mit ihrem chemischen Namen bezeichnet. Zunächst seien hier die fettlöslichen (A, D, E, K) und im Anschluss daran die wasserlöslichen Vitamine (C, B1, B2, B6, B12, Biotin, Folsäure, Pantothensäure) besprochen.Vitamin A (Retinol) ist eine Vorstufe von Retinal, welches Bestandteil der lichtempfindlichen Rezeptoren der Netzhaut (Retina) des Auges ist. Mangel an Vitamin A zeigt sich daher zuerst als Nachtblindheit, später kann eine Verhornung der Augen hinzukommen. Weiterhin hat man festgestellt, dass junge Tiere Vitamin A zum Wachstum benötigen. Der Körper nimmt nicht das spezifische Retinol, sondern eine Vorstufe (Provitamin), das β-Carotin auf, dass als leuchtend orangefarbene Substanz, wie der Name andeutet, unter anderem in Karotten vorkommt. Zur Resorption des mit der Nahrung aufgenommenen Carotins im Darm ist die Anwesenheit von Fetten und Gallensäuren nötig. Deswegen ist es sinnvoll, beispielsweise Karotten mit etwas fetthaltiger Nahrung zu verzehren, da nur so das Vitamin A wirksam gelöst aufgenommen werden kann.Krankhafte Erscheinungen durch übermäßige Vitamin-A-Zufuhr über die Nahrung sind selten. So ist beispielsweise eine leichte orangebraune Färbung der Haut von Babys, die mit viel Karottenbrei gefüttert wurden, recht häufig und normalerweise ungefährlich. Hypervitaminosen sind jedoch von einigen fettlöslichen Vitaminen bekannt und in der Regel eine Folge einer Überdosierung von Vitaminpräparaten. So ist Vitamin A gefährlich für den Embryo und sollte während einer Schwangerschaft nicht therapeutisch eingesetzt werden. Auch bei Polarforschern, die die äußerst Vitamin-A-haltige Leber von Eisbären gegessen hatten, soll es Vitamin-A-Vergiftungen gegeben haben.Die Vitamine D1, D2 und D3 haben ihre chemische Bezeichnung Calciferol daher, dass sie kalzifizierende (lateinisch »kalk-« beziehungsweise »knochen-machende«), lipidartige Substanz sind. Chemisch sind sie mit dem Cholesterin verwandt, aus dem sie im Körper bei genügender Einstrahlung von UV-Licht synthetisiert werden. Obwohl es sich im engen Sinne bei den Calciferolen gar nicht um Vitamine handelt, kommt es wegen der im Körper vorhandenen nur geringen Depotmengen bei einseitiger Mangel- oder Fehlernährung oder bei mangelnder Sonneneinstrahlung immer wieder zur D-Hypovitaminose, der Rachitis. So war in Deutschland während der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Rachitis eine häufige Krankheit, besonders bei Kindern, die oft zu bleibenden Schäden führte. Vitamin-D-Präparate werden heute meist synthetisch hergestellt, da mit Ausnahme des Lebertrans, der meist aus Dorschleber hergestellt wurde, die meisten Lebensmittel kein Vitamin D enthalten. Wegen möglicher schwerer Folgen unsachgemäßer Vitamin-D-Gabe muss eine gegebenenfalls notwendige Therapie immer von einem Arzt überwacht werden.Vitamin E das Tocopherol, ist eine die Zellmembranen schützende Substanz, welche die Oxidation der ungesättigten Fettsäureanteile dieser Zellbausteine verhindert. Daher wird es bei erhöhtem Nahrungsangebot solcher Fettsäuren vermehrt benötigt. Im Körper entsteht es hauptsächlich aus 7-Dehydro-Cholesterin, was auch die membranwirksame Bedeutung beider Substanzen verdeutlicht.Vitamin K bezeichnet zwei auf dem Naphthochinon basierende Substanzen. Sie sind zwar essentiell, doch praktisch immer verfügbar. K-Hypovitaminosen treten jedoch indirekt auf, wenn die Resorption im Darm wegen fehlender Gallenfarbstoffe ausbleibt oder wenn wegen Störungen der Naphthochinon produzierenden Darmflora eine Unterversorgung stattfindet. Beim Säugling jedoch ist diese Darmflora noch nicht voll etabliert; eine Vitamin-K-Vorsorge kann Blutungsneigungen gegebenenfalls vorbeugen. Naphthochinon ist in der Leber zur Biosynthese eines Blutgerinnungsfaktors notwendig. Daher werden zur Verringerung der Blutgerinnungsneigung (Thrombosen beziehungsweise Embolien) Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt. Diese mit dem Cumarin verwandten Stoffe kommen in bestimmten Kleesorten vor und können Blutungskrankheiten bei Kühen auslösen; auch in Rosskastanien sind sie zu finden.Vitamin B1 oder Thiamin ist vorrangig im Energiestoffwechsel der Nervenzellen notwendig. Seine Hypo- oder Avitaminose ist die Beriberi-Krankheit. Ihren singhalesischen Namen bekam sie, nachdem in Asien nach Einführung moderner Verarbeitungsmethoden viele Menschen nur noch geschälten Reis verzehrten und gehäuft die schon vorher bekannten Symptome bei B1-Mangel — Nervenlähmungen und Störungen der Herzfunktion — aufwiesen. Das vollständige Reiskorn mit Schale ist jedoch die dortige Hauptquelle des Vitamins B1. Eine generalisierte Nervenentzündung bei Trinkern, die alkoholische Polyneuritis, ist eine der Sekundärfolgen des B1-Mangels.Vitamin B2 (Riboflavin) ist als Bestandteil von Coenzymen der Atmungskette im Energiestoffwechsel unentbehrlich. Zu den Symptomen der B2-Hypovitaminose gehören Veränderungen der Schleimhäute im Mund, im Magen-Darm-Trakt und Entzündungen der Bindehaut in den Augen. Beim Mangel an Vitamin B6 (Pyridoxin) hingegen stehen Nervenentzündungen sowie Veränderungen der Haut im Vordergrund. Seine biologische Funktion ist die von Coenzymen bei der Übertragung von Aminogruppen im Proteinstoffwechsel. Trotz des großen Speichers in der Leber und einem täglichen Bedarf von nur 4 bis 6 μg ist das Vitamin B12 (Cobalamin oder Cyanocobalamin) von besonderer Bedeutung. Es ist als Coenzym, insbesondere bei der Bildung der roten Blutkörperchen, wichtig. Im Darm wird Cobalamin von der Darmflora gebildet, oft jedoch nicht in genügender Menge. Mithilfe des »intrinsic factor«, einem im Magen gebildeteten Glykoprotein, kann es aus dem Darm ins Blut passieren. Seine Hypovitaminose wurde früher als perniziöse Anämie (lateinisch für gefährliche Blutarmut) bezeichnet, bei der zu wenige und durch ihre verzögerten Zellteilungen zu große rote Blutkörperchen zu beobachten sind.Vitamin C wird bei Energie übertragenden molekularen Funktionen und zur Bildung des Kollagens benötigt. Ferner ist Vitamin C bei der Resorption des Eisens aus dem Darm notwendig sowie bei der Synthese des Adrenalins im Nebennierenmark und der Synthese von Hormonen der Nebennierenrinde, den Corticosteroiden, aber auch im Aminosäurestoffwechsel. Das Hauptsymptom der Vitamin C-Hypovitaminose, der Skorbut, ist eine krankhafte Bindegewebsschwäche, bei der unter anderem der Zahnhalteapparat betroffen ist. Ferner sind Abgespanntheit und Anfälligkeit gegenüber Infektionen zu beobachten. Die Vitamin-C-Hypovitaminose ist heute selten geworden. Lose Mengen von Ascorbinsäure sind recht preiswert; die Einnahme von etwa dem Zehnfachen des Tagesbedarfes beeinflusst den Verlauf von Erkältungskrankheiten günstig und stärkt die Immunabwehr.Nicotinsäure (auch Nicotinamid oder Niacinamid) wirkt als Coenzym im Abbaustoffwechsel. Mangelerscheinungen sind in Form von Pellagra (»rauer Haut«) bekannt. Dabei kommt es zu Hautentzündungen, Fehlpigmentierungen der Haut, Durchfall und Störungen des Zentralnervensystems. Eine Unterversorgung mit Pantothensäure, früher unter der Bezeichnung Vitamin B3 geführt, ist sehr selten. Schon die Silbe »pan« (griechisch »all«) im chemischen Namen deutet auf sein Vorkommen in fast allen Nahrungsmitteln hin. Die Pantothensäure wird als Baustein des Coenzyms A benötigt, das im Energiestoffwechsel von zentraler Bedeutung ist. Auch beim früher als Vitamin H bezeichneten Biotin, das zu einem erheblichen Teil ebenfalls von der Darmflora gebildet wird, kommen Mangelsymptome kaum vor. Anders verhält es sich mit der Folsäure, die besondere Funktionen bei der Synthese von Nucleinsäuren erfüllt sowie bei der Herstellung von Membranlipiden und dem Abbau von Aminosäuren eine Rolle spielt. Von Bedeutung sind hier ebenfalls die Vitamin-Antagonisten, zum Beispiel das zur Chemotherapie von Tumoren eingesetzte Methotrexat. Es blockiert einen Schritt in der Biosynthese der Erbsubstanzen DNA und RNA, sodass es die Zellteilungen in den wachsenden Tumoren verhindert.Intrazelluläre und extrazelluläre ElektrolyteEine ganze Reihe von Atomen und Molekülen kommen im Körper gelöst und in elektrisch geladener Form vor. Sie werden als Elektrolyte (von griechisch lysein = lösen oder auflösen) bezeichnet. Zu den positiv geladenen Elektrolyten oder Kationen zählen Kalium (K+; die Ladung wird als hochgestellter Index als »plus« oder »minus« angegeben), Natrium (Na+), Calcium (Ca2+) und Magnesium (Mg2+); die wichtigsten negativ geladenen Elektrolyte oder Anionen sind Chlorid (Cl-), Phosphat (im Blut als HPO42-), Carbonat (HCO3-) sowie die Proteine, die als Polyanionen etwa acht bis zehn negative Elementarladungen tragen und daher analog auch als Proteinat bezeichnet werden (Proteinn —). Ferner spielen auch organische Säuren (Carboxylate) und das Sulfat (SO42-) eine nicht unerhebliche Rolle.Im Inneren der Körperzellen und im extrazellulären Raum des Körpers gleichen sich die positiven und negativen Ladungen jeweils aus. Die Ladungsträger bestehen im Zellinneren jedoch zum Teil aus anderen Ionen als extrazellulär oder kommen in jeweils verschiedenen Konzentrationen vor. Vier wichtige Fakten können die osmotischen Druckverhältnisse erklären. Zum einen sind die molaren Konzentrationen inner- und außerhalb der Zellen gleich und betragen etwa 287 Millimol pro Liter (mmol/l). Durch die Zellmembran hindurch ist also die molare Konzentration ausgeglichen. Zum Zweiten sind die positiven und negativen elektrochemischen Äquivalente im extrazellulären und intrazellulären Raum jeweils ausgeglichen; jedes der beiden Kompartimente hat eine Gesamtladung von etwa null. Drittens liegen die molaren Konzentrationen außen mit ±153 niedriger als in der Zelle, wo sie ±198 betragen. Während die kleinen Ionen die Zellmembranen relativ leicht durchdringen können, ist dies für die großen Proteinmoleküle nicht möglich. Jedes Ion trägt jedoch gewissermaßen eine Wolke von Wassermolekülen, seine Hydratationshülle. Daher ziehen die Proteinate recht viel Hydratationswasser in die Zelle hinein, das ihr ihren osmotischen Druck und damit ihre pralle Gestalt verleiht.Wichtiger noch ist die Funktion der Energie zehrenden Natrium-Kalium-Pumpe, welche die Natrium-Kationen aus dem Zellinneren heraushält, stattdessen aber Kalium-Kationen dort anreichert. Auch Magnesium trägt in den Zellen erheblich zu den Konzentrationsverhältnissen bei. Unter den Anionen herrschen im extrazellulären Raum Chlorid und Carbonat vor, während innerhalb der Zellen die Phosphate dominieren. Beim elektrochemischen Äquivalent rangieren die Proteinate schon an zweiter Stelle, fast gleichauf gefolgt von den organischen Säuren (Aminosäuren, Lactat = Milchsäure, Pyruvat = Brenztraubensäure usw.) und den Sulfaten. Carbonate tragen nur zu einem kleinen Teil zu den osmotischen Verhältnissen in den Zellen bei.Prof. Dr. Carsten NiemitzGrundlegende Informationen finden Sie unter:Ernährung des MenschenBiesalski, Hans Konrad: Vitamine. München 1997.Roediger-Streubel, Stefanie: Gesund durch Mineralstoffe und Spurenelemente. München 1997.
Universal-Lexikon. 2012.